Ute Gerhard: Im Schnittpunkt von Recht und Gewalt – zeitgenössische Diskurse über die Taktik der Suffragetten

16. November 2016
ab 18:30 Uhr
Aula am Campus der Universität Wien
Spitalgasse 2-4 / Hof 1.11
1090 Wien

 

Kein anderer Zweig der Frauenbewegung hat weltweit zu seiner Zeit so viel Aufsehen erregt und Nachhall in den Medien gefunden wie die englischen Suffragetten vor dem Ersten Weltkrieg. Nicht nur in den zeitgenössischen Diskursen wurde über ihre Taktik oder „Kampfesweise“ gestritten, für alle Zeit ist die Kennzeichnung als Suffragette zum Inbegriff des frauenrechtlerischen, militanten Kampfes um Gleichberechtigung und Emanzipation geworden. Die Bilder der Verhaftung von behüteten, in der Mode ihrer Zeit gekleideten Damen, die von dem britischen Bobbies weggetragen werden, gingen um die Welt und haben sich in unser historisches Gedächtnis eingegraben.

Der Vortrag rekonstruiert die Geschichte der Suffragetten als Teil einer international organisierten und zugleich transnationalen Stimmrechtsbewegung. Er diskutiert die vielfältigen und neuen Formen des Widerstands, die Inszenierung ihrer Proteste in der Öffentlichkeit mit Methoden des heute sog. zivilen Ungehorsams, die erst angesichts einer unnachgiebigen Staatsmacht und brutaler Polizeieinsätze zunehmend in Militanz umschlagen. Die schwierige Frage nach dem Verhältnis von Recht und Gewalt wurde virulent mit dem Ausbruch des Weltkrieges. Während die radikalen Pazifistinnen, die auf dem Haager Friedenskongress 1915 für die Verknüpfung von Frauenrechten und Friedensarbeit („für die Gewalt des Rechts gegen das Recht der Gewalt“) eintraten, führte die Radikalität der führenden Suffragetten ohne demokratische Rücksichten unmittelbar in den Dienst für das Vaterland, wurde das Vereinsorgan „Suffragette“ zur gleichen Zeit durch das patriotische Blatt „Britannia“ ersetzt. Es zeigt sich, Radikalität kann Unterschiedliches bedeuten.

 

Ute Gerhard, Dr.in phil., Studium der Rechtswissenschaften, Soziologie und Geschichte. Professorin Emerita für Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Gründungsdirektorin des Cornelia Goethe Centrums für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse in Frankfurt. Forschungen in den Bereichen Geschichte und Theorie des Feminismus, Europäische Sozialpolitik, Rechtsgeschichte und Rechtssoziologie.