Irrspiele der Sensation. Innere Masken bei Arthur Schnitzler

Autor(en)
Dorothea Rebecca Schönsee
Abstrakt

Den Begriff der Sensation als Sinneseindruck und Aufsehen erregendem Ereignis, soll anhand der paradoxen Maskenspiele diskutiert werden, die Schnitzler in seinen Einaktern inszeniert. Der Beitrag geht von der Hypothese aus, dass es innere Masken sind, welche die Protagonisten in einem Spannungsverhältnis aus der der Scham als Maske der Anderen aber auch als Hoffnung auf einen Auftritt in der „Komödie der Worte“ in ihren Irrspielen verleiten. Der Sog in die ‚letzten Masken‘ führt vor ein doppeltes Tribunal: Das des Eindrucks eines maskierten Außen und dem imaginierten Gericht des Eigenen. Im Kern offenbaren die Einakter dabei, dass es ‚die Wahrheit‘ nicht gibt, sondern dass sie nur als ein immer wieder neu ausdeutbarer Aspekt „lebendiger Stunden“ aufscheint. In dieser Vieldeutigkeit der ‚Sensation‘ liegt der eigentliche Skandal. So führen die Dialoge in paradoxe Rahmen, innerhalb dessen alle Aussagen „wahr“ werden; besonders deutlich etwa im Ende des 'Bacchusfestes', dem letzten ‚Akt‘ in der Komödie der Worte. Die beiden Sätze „Ich hasse dich; ich liebe dich“ werden im Rahmen des Spiels wahr. Dabei inszenieren die Protagonisten immer wieder neue Irrspiele, die verstecken, dass es sich eigentlich um verdeckte Beziehungskämpfe handelt. Das Macht-Spiel implodiert im Reigen des Wissens und Nicht-Wissens, im Ornament der Choreographie, innerhalb derer alle Beteiligten zu „Marionetten“ ihrer Sensationen werden. Ihr Spiel lässt „die Marionetten“ zu Gespenstern werden wie im "Grünen Kakadu". Sie sind gesteuert von ihrer eigenen Totenmaske, die immer schon auf dem Totenbett der Liebe bereitliegt. Als Sensation ist die „abgetane Welt“ genauso lebendig wie sie immer war. Als methodisches Instrumentarium der Untersuchung möchte der Beitrag Canettis Überlegungen zur Figur und Maske heranziehen. Zu überlegen ist, wie Schnitzlers Darstellung der Masken innerhalb der Irrspiele der Sensation eine Ambivalenz der Entzauberung aufzeigt, welche als zirkuläre Verwandlungsflucht die Ökonomie des Skandals geschickt unterläuft. Seine dramatisierten Photographien der Wirklichkeit offenbaren ihr Punctum in der Verhüllung– einem Schleier, der sich erst im Lesen lüftet, nämlich im Blick zurück auf die eigenen Masken. Erst angesichts eines gegenseitigen sich Verkennens kann die innere Maske sich als Figur auflösen; wird Freiheit im paradoxen Rahmen des Spiels möglich.

Organisation(en)
Institut für Germanistik
Seiten
199-229
Publikationsdatum
2016
Peer-reviewed
Ja
ÖFOS 2012
602014 Germanistik
Schlagwörter
Link zum Portal
https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/dd8a2e15-76e6-48d0-b246-efffa2fb42db