Gender und Martyrium in hebräischen Erzählungen zum Ersten Kreuzzug 1096

Autor(en)
Martha Keil
Abstrakt

Den Pogromen und Zwangstaufen während des Ersten Kreuzzugs begegneten die jüdischen Gemeinschaften der Rheingemeinden mit einem bereits aus der Antike bekannten, aber nun exzessiv in die Tat umgesetzten religiösen Konzept: der Selbsttötung und rituellen Ermordung von Familienmitgliedern und anderen Glaubensgenossen al Kiddusch ha-Schem, zur „Heiligung des göttlichen Namens“. Drei hebräische Quellen schildern die Ereignisse in grausamen Einzelheiten, aber auch christliche Chronisten entsetzten sich vor allem über die jüdischen Mütter, die ihre eigenen Kinder eher schlachteten als sie der Taufe preiszugeben.
Tatsächlich ist die aktive, sogar führende Rolle der Frauen in diesen Erzählungen frappierend. Der Artikel diskutiert einerseits den literarischen Charakter, die Narrative und den religiösen Kontext dieser Texte. Andererseits stellt er anhand der Kategorie Gender im Vergleich mit Attributen, Zuschreibungen und Bewertungen von Männern und Frauen eine relativ große Übereinstimmung von männlichen und weiblichen Zuordnungen fest. Zusätzlich zum Aspekt von Gender sind aber auch die Kategorien Alter, Familienstand und soziale Schicht bedeutend; der Einschluss aller sozialer Gruppen in diesen Texten symbolisiert das in den Martyrien zum Ausdruck gebrachte Erlösungswerk für den Einen Gott. Eine nachhaltige Auswirkung auf die soziale Position von Frauen hatten diese Darstellungen allerdings nicht. Schon in der religiösen Literatur der folgenden Generation wandelte sich die den Männern an Mut und Entschlossenheit überlegene Schlächterin in ein passives und verletzliches Opfer.

Organisation(en)
Institut für Österreichische Geschichtsforschung
Journal
Das Mittelalter
Band
21
Seiten
83-101
Anzahl der Seiten
18
ISSN
0949-0345
DOI
https://doi.org/10.1515/mial-2016-0006
Publikationsdatum
2016
Peer-reviewed
Ja
ÖFOS 2012
601012 Mittelalterliche Geschichte, 605002 Kulturgeschichte, 603906 Jüdische Religion
Schlagwörter
Link zum Portal
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