Sexuelle Selbstbestimmung als Individualrecht und als Rechtsgut. Überlegungen zu Regulierungen des Intimen als Einschränkung sexueller Autonomie
- Autor(en)
- Elisabeth Holzleithner
- Abstrakt
Sexuelle Selbstbestimmung ist ein „spätes“ Rechtsgut: Es wurde erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts explizit in Strafrechtsordnungen aufgenommen, um das Konzept der „Sittlichkeit“ mit seinen Korrelaten der Unzucht und Notzucht (dazu Benke und Holzleithner 1998) zu ersetzen. Deutschland nimmt mit dem semantischen Umbruch bereits im Jahr 1973 eine insofern nachgerade avantgardistische Position ein. Damals wurde das Sexualstrafrecht vollständig von der alten Terminologie befreit (BGBl. 1973, S. 1725) – wenn auch bei weitem nicht von allen konventionellen Vorstellungen. Die Schweiz zog fast zwei Jahrzehnte später nach: Die Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches über die strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität sind am 1. Oktober 1992 in Kraft getreten (BBl. 1992 V 451). In Österreich finden sich die einschlägigen Delikte gar erst seit 2004 unter der Überschrift „Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“ (BGBl. I 2004/15).
Der vorliegende Beitrag wird sich im Folgenden freilich nicht mit historischen Betrachtungen und rechtsdogmatischen Details befassen. Diese finden sich ausführlich in den anderen Texten des Sammelbandes. Vielmehr soll es darum gehen, ein Konzept der sexuellen Selbstbestimmung respektive der sexuellen Autonomie zu entwickeln, das rechtsphilosophisch gehaltvoll ebenso wie geschlechtertheoretisch fundiert ist und das geschlechterpolitisch produktive Analysen anzufachen vermag. Um dies zu leisten, werden jene in der Gesellschaft wirkmächtigen regulativen Strukturen aufgezeigt, die Entscheidungen im Bereich des Sexuellen beeinflussen und sexuelle Autonomie einschränken. Abschließend ist zu überlegen, inwieweit sich die Konzeption der sexuellen Autonomie im deutschen Verfassungsrecht spiegelt, und welche Anforderungen sich daraus für das Recht ergeben.- Organisation(en)
- Institut für Rechtsphilosophie
- Externe Organisation(en)
- Forschungsverbund "Geschlecht und Handlungsmacht - Gender and Agency"
- Seiten
- 31-50
- Publikationsdatum
- 07-2016
- ÖFOS 2012
- 504014 Gender Studies, 505011 Menschenrechte, 505006 Grundrechte, 603117 Rechtsphilosophie
- Link zum Portal
- https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/9c17ac1b-3aa4-4733-9692-70eb150aab82