Macht-Wissens-Komplexe, Normen und Hierarchien in polyamoren Beziehungen

Autor(en)
Tonina Liriel Aurel
Abstrakt

Der Begriff Polyamorie verweist auf romantische Beziehungen zwischen mehreren Personen, welche durch hohe Vielfalt und Individualität gekennzeichnet sind. Angesichts der Vielfältigkeit und Komplexität von polyamoren Beziehungen, ist zu erwarten, dass Normen und Macht-Wissens-Komplexe eine wichtige Rolle spielen, vielleicht sogar Polyamorie als solche prägen. Um Macht und Normen als für Polyamorie bedeutsame Strukturen zu verstehen, erscheint eine Untersuchung einzelner Normen oder spezifischer Erfahrungsdimensionen unzureichend. Um nachzuvollziehen, was polyamore Beziehungen prägt, braucht es eine Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Elementen polyamorer Lebensformen wie Normen, Macht-Wissens-Komplexen und Hierarchisierungen innerhalb der Beziehungen. Daher wird in diesem Beitrag untersucht, inwiefern sich Macht-Wissens-Komplexe, Normen und Hierarchisierungen in diskursiven Strukturen innerhalb polyamorer Beziehungen manifestieren und in welchem Maße wechselseitige Verknüpfungen zwischen ihnen bestehen.
Mithilfe problemzentrierter, diskursanalytisch ausgewerteter Interviews mit 16 Personen, die sich als polyamor verstehen, wurden drei analytische Kategorien gebildet: die allumfassende Kommunikation, die konsequente Mustergültigkeit und das Diskriminierungsparadoxon. Diese Kategorien wurden anhand der Identifikation, Konzeptualisierung und Verdichtung interviewübergreifender Themen entwickelt und anschließend zueinander in Beziehung gesetzt, um die Komplexität vielfältiger polyamorer Beziehungen nachvollziehen zu können. Die Kategorien sind dahingehend miteinander verknüpft, dass es Normen innerhalb polyamorer Beziehungen gibt, die Verhaltensweisen fördern oder stigmatisieren. Wird diesen Normen gefolgt, erhalten Individuen Anerkennung und Macht. Sie verhalten sich konsequent mustergültig und werden zu Expert*innen, die Abweichungen sanktionieren, Verhalten regulieren und Ideale fördern. Voraussetzung dafür ist allumfassende Kommunikation. Expert*innen exkludieren jene, die normativ unzureichend kommunizieren. Mittels Mustergültigkeit wird argumentiert, gesellschaftlich inkludiert zu werden, wobei es um die Erfüllung eines Bedürfnisses nach Anerkennung geht.

Organisation(en)
Institut für Bildungswissenschaft
Journal
Österreichische Zeitschrift für Soziologie (ÖZS)
Band
49
Seiten
377-396
Anzahl der Seiten
20
ISSN
1011-0070
DOI
https://doi.org/10.1007/s11614-024-00577-z
Publikationsdatum
09-2024
Peer-reviewed
Ja
ÖFOS 2012
504014 Gender Studies, 504011 Familienforschung
Schlagwörter
ASJC Scopus Sachgebiete
Allgemeine Sozialwissenschaften
Link zum Portal
https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/71d79eb6-e163-4dc8-90ee-52234ea704b9