Gerechtigkeit und Geschlechterrollen

Autor(en)
Elisabeth Holzleithner
Abstrakt

Geschlechterrollen sind vorgefertigte Skripte im Schauspiel des Lebens. Sie werden gelebt, und sie werden Menschen vorgehalten. Sie konstituieren stereotype Erwartungen an Verhalten, das im Einklang mit einem zugewiesenen Geschlecht stehen soll. Wer jemand im Sinne der eigenen Identifikation und der Anerkennung durch andere sein kann; was jemand im Zuge der Verteilung von Rechten und Pflichten, Gütern und Lasten erreichen kann, ist von Geschlechterrollenzuschreibungen deutlich beeinflusst.
Damit sind Geschlechterrollen zwangsläufig ein Thema der Gerechtigkeit. Sie sind aus Gerechtigkeitsperspektive ein Problem, denn sie schränken, indem sie auferlegt werden, Menschen in ihrer Entfaltung ein, und sie führen zu Benachteiligungen und Privilegierungen. Entlang der Hierarchisierung der Geschlechterrollen wird die Gesellschaft von strukturellen Ungleichheiten durchzogen.

Die Gerechtigkeitsproblematik von Geschlechterrollen gilt es auszuloten. Dazu wird zunächst das Feld der Gerechtigkeit skizziert und in die Dimensionen der Anerkennung wie der Distribution aufgefächert – in Verknüpfung mit dem Ideal der Autonomie. Sodann wird die Thematik der Geschlechterrollen im Spannungsfeld von Stereotypen und Generalisierungen dargelegt. Dies geschieht in ganz grundsätzlicher Weise, indem der Begriff des (biologischen) Geschlechts selbst als Gegenstand von Geschlechterrollenerwartungen gefasst wird. Derart erweist sich bereits die (rechtliche) Zuweisung eines Geschlechts als Gerechtigkeitsproblematik. Anknüpfend daran werden unterschiedliche Ebenen und Bereiche untersucht, wo sich die Macht von Geschlechterrollen
zeigt. Fokussiert wird dabei auf das Differenzieren wie das Zusammenwirken unterschiedlicher Sphären, namentlich von Öffentlichkeit und Privatheit, und auf den zentralen Stellenwert der Zuschreibung von Fürsorglichkeit und Fürsorgeleistungen an die weibliche Geschlechterrolle.

In allem ist jedenfalls zu beachten, dass die Geschlechterdifferenz nicht als simple Dualität zu haben ist. Entsprechend müssen die Überlegungen auch die Vielfalt von Geschlechterrollen aufgrund ihrer Verwobenheit mit diversen Machtachsen wie Klasse, ethnischer Herkunft, (sub)kulturellen und religiösen Gepflogenheiten oder sexueller Orientierung thematisieren, also ihre situations- und situiertheitsbedingten Komplexitäten – Stichwort: Intersektionalität – ebenso wie ihre Veränderlichkeit mitbedenken.

Organisation(en)
Institut für Rechtsphilosophie
Externe Organisation(en)
Forschungsverbund "Geschlecht und Handlungsmacht - Gender and Agency"
Journal
Zeitschrift für Rechtsphilosophie: theoretische, methodische und politische Grundfragen des Rechts
Band
2016
Seiten
133-151
ISSN
1614-4726
Publikationsdatum
06-2016
Peer-reviewed
Ja
ÖFOS 2012
504014 Gender Studies, 505033 Antidiskriminierungsrecht, 505011 Menschenrechte, 603117 Rechtsphilosophie
Link zum Portal
https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/gerechtigkeit-und-geschlechterrollen(124f08e6-1915-4bf1-a8ba-953078b9fb26).html