Menschenrechte queer gelesen

Autor(en)
Elisabeth Holzleithner, Michael Krennerich
Abstrakt

Mit dem Fokus auf „Menschenrechte queer gelesen“ widmet sich das Schwerpunktthema der vorliegenden Ausgabe der zfmr einem immer noch zu wenig bearbeiteten, dabei kontroversen und an Bedeutung gewinnenden Thema. In den letzten Jahren konnten Bewegungen für die Rechte von LGBTIQ* ganz bemerkenswerte Erfolge erringen, und das nicht nur im „globalen Norden“: Gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen wurden entkriminalisiert; es wurden Möglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen, ihre Beziehungen zu institutionalisieren, mancherorts bis hin zur Öffnung der Ehe; die Anerkennung einer vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweichenden Geschlechtsidentität wird vielerorts nicht mehr von geschlechtsanpassenden Körpermodifikationen abhängig gemacht, manche Staaten gebieten, dass es bei der rechtlichen Kategorisierung des Geschlechts eine „dritte Option“ geben soll, und die Praxis der chirurgischen Zurichtung der Genitalien von intergeschlechtlichen Kindern wird zunehmend als unzulässig angesehen, wenn sie auch erst in ganz wenigen Staaten vollends verboten ist.

Eine eigene UN-Konvention zum Schutz von SOGIESC-Menschenrechten – also solchen, die sich auf sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und -expression sowie geschlechtliche Charakteristika beziehen – scheint derzeit nicht realistisch. Dafür halten die Yogyakarta Prinzipien (aus 2007, mit einer Erweiterung aus 2017) fest, inwiefern die herkömmlichen Menschenrechte auch im Bereich von SOGIESC anwendbar sind, und im Jahr 2016 wurde ein Sonderberichterstatter der UN für diese Themen eingesetzt; aktuell hat Victor Madrigal-Borloz diese Position inne. Es gab aber auch Rückschläge, wie die Situation in Russland und in der Türkei, aber auch in Brasilien oder in den USA zeigt, wo für das Militär wieder ein „Transgender Ban“ eingeführt wurde. Und in Ungarn wurden die weitreichenden Ermächtigungen zur Bekämpfung der Verbreitung des Corona-Virus dafür missbraucht, die Möglichkeiten zu Änderung des geschlechtlichen Personenstands abzuschaffen.

Die Aufsätze des vorliegenden Bandes widmen sich verschiedenen Aspekten des Themas und wollen damit nicht nur informieren und zum Nachdenken anregen, sondern auch eine weitere Befassung mit den einschlägigen Herausforderungen anstoßen. Dazu dienen Beiträge von Elisabeth Holzleithner; Anna Katharina Mangold, Maya Markwald und Cara Röhner; Katja Neuhoff und Juliette Wedl; Petra Sußner; Nina Eckstein und schließlich Frédéric Krumbein. Dabei zeigt sich immer wieder, wie sehr menschenrechtlicher Aktivismus und rechtliche Initiativen ineinandergreifen – wie wichtig eine vitale Zivilgesellschaft und eine aufmerksame Rechtswissenschaft für die Entwicklung solch junger Menschenrechte sind, und dass Bildung eine ganz wesentliche Voraussetzung für deren Pflege und Verbreitung darstellt.

Organisation(en)
Institut für Rechtsphilosophie, Forschungsplattform GAIN - Gender: Ambivalent In_Visibilities, Forschungszentrum Religion and Transformation
Externe Organisation(en)
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Forschungsverbund "Geschlecht und Handlungsmacht - Gender and Agency"
Anzahl der Seiten
250
Publikationsdatum
08-2020
Peer-reviewed
Ja
ÖFOS 2012
505011 Menschenrechte, 504014 Gender Studies, 505012 Öffentliches Recht, 505016 Rechtstheorie
Link zum Portal
https://ucris.univie.ac.at/portal/de/publications/menschenrechte-queer-gelesen(be148f86-a070-450c-bea2-5adea6823682).html